Es war eine interessante Debatte, die vor einigen Tagen in gängigen Facebookgruppen losbrach: Sollte sich die Gamesbranche dafür einsetzen, dass ihre Praktikanten vom neuen Mindestlohn ausgeklammert werden? "Ja!", ruft die eine Seite, der Mindestlohn erschwere Neulingen den Einstieg in die Branche. "Nein", rufen die anderen, es muss verhindert werden, dass Praktikanten ausgebeutet werden. ich möchte an dieser Stelle auf einige Punkte der jeweiligen Argumente eingehen und auch meinen eigenen Standpunkt hierzu erläutern. Die Situation mit unseren Praktika ist schon etwas verkorkst, zumindest in den Augen der Ämter: Jeder der schon einmal für die Dauer eines Praktikums in der Gamesbranche staatliche Hilfe beantragt hat wird es wissen: Der Staat geht von einer Regelzeit von 6 Wochen, in Ausnahmefällen von 3 Monaten aus. Nun bastelt man ein Spiel selten in einer so kurzen Zeit zusammen, ein so kurzes Praktikum reicht also wohl kaum, um sämtliche Entwicklungsprozesse zu durchleben. Somit haben sich Praktika mit einer Dauer von 6 Monaten oder in Ausnahmefällen 3 Monaten etabliert. Das ist natürlich in den Augen des Staates viel zu lange, weswegen man mit den Ämtern manchmal schon kämpfen darf. Dabei laufen die Praktika meist auf 450€-Basis, ohne private oder staatliche Hilfe bleibt da nicht viel. In vielen Fällen muss zusätzlich sogar extra umgezogen werden, was Zusatzkosten für den Praktikanten verursacht, die nicht immer von Staat und Firma kompensiert werden. Praktikanten haben es somit ohnehin schon nicht leicht. Wieso sollte man sie dann nicht fair bezahlen? Der Mindestlohn beträgt 8,50€ je Stunde, bei 40 Stunden die Woche und vier Wochen Arbeit im Monat ergibt sich also ein brutto von 1.360€. Davon kann ein Praktikant auch ohne Hilfe in den meisten Regionen überleben. Dies führt unweigerlich zu dem Vorteil: Der Praktikant ist vom Staat unabhängig und kann sich so auf seine Arbeit konzentrieren. Außerdem steigt dadurch die Übernahmechance für Praktikanten: Es werden nur die besten ausgewählt und der Sprung zur Festanstellung ist nicht mehr so groß. Ein Praktikumsplatz wird somit deutlich hochwertiger und macht sich auch viel besser im Lebenslauf. Die Firmen profitieren auch: Das Cherypicking wird auf ein Maß ausgebaut, welches kaum noch schwarze Schafe durch das Bewerbungsverfahren lässt, was theoretisch zu einer fließenderen, angenehmeren Produktion führen kann und im Idealfall zu einer Qualitätssteigerung. | Ausbeuterfirmen haben so außerdem deutlich weniger Grundlagen, sich am Markt zu behaupten. Die Praktikanten und die Firmen gewinnen somit beide. Allerdings bietet der Mindestlohn auch gravierende Kehrseiten: Gerade Start-Ups und Firmen, die sich auf Nischenprodukte spezialisiert haben, können sich oft kein volles Personal leisten. Wäre hier eine Sonderregelung sinnvoll? Viele kleine Unternehmen werden dadurch gefährdet, wenn das Verhältnis zwischen Praktikanten und Angestellten gekippt wird. Das Cherrypicking dürfte auch eine neue Spitze Erreichen. Dadurch wird härter ausgesiebt und "ungeschliffenen Diamanten", die erst mit der Zeit hervor treten, könnte der Zugang zur Branche verwehrt bleiben. Die Quoten von der Übernahme von Ausbildung in die Industrie würden stark abfallen, da weniger Praktikumsplätze verfügbar sind, allgemein könnte somit das Interesse vom Nachwuchs in die Branche dadurch gesenkt werden: Weil die geringen Quoten einfach unattraktiv sind. Es ist schwierig, sich in dieser Frage zu positionieren. Eigentlich bin ich für den Mindestlohn, da ich genug fähige Game Designer kenne, die von Praktikum zu Praktikum gereicht wurden und erst auf dem allerletzten Drücker noch fest angestellt wurden. Menschlich gesehen ist der Mindestlohn also Pflicht, um Branchenneulinge zu schützen. Allerdings habe ich große Bauchschmerzen, was die Infrastruktur unserer lokalen Industrie angeht. Start-Ups werden eh kaum gefördert, unser Branchennetzwerk ist nicht so ausgeprägt, wie in anderen Ländern, uns halten die Publisher nicht zusammen. Neugründungen werden somit noch weiter erschwert und das Start-Up dann rentabel zu halten wird auch nicht leichter. Meine größte Angst ist, dass wir somit viele kleine Studios verlieren, oder ins Abseits drängen und ein Großteil unserer Gründermentalität im Games-Bereich opfern und die großen Player noch wichtiger werden. Die Diversität unserer lokalen Industrie steht dann auf dem Spiel, weil gleich mehrere unserer großen Player auf Mobile und Browser spezialisiert sind. Wenn dann eine Blase platzt, dann wären die Auswirkungen der Finanzkrise ein Witz dagegen. In meinen Augen sollten wir den Mindestlohn anstreben, aber aktuell haben wir nicht die Möglichkeiten, das guten Gewissens zuzulassen. Hier sind Verbände und Politik gefragt, eine Infrastruktur zu schaffen, die den Mindestlohn auch tragen kann. |
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